Mehrstufige Zusammenfassung von Betrieben gewerblicher Art
Der BFH hat mit Beschluss vom 31.1.2024, Aktenzeichen V R 43/21, das BMF dazu aufgefordert, dem laufenden Revisionsverfahren beizutreten, um zu den folgenden Fragen Stellung zu nehmen:
Ist es gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG möglich, Betriebe gewerblicher Art (BgA) zusammenzufassen, ohne dass eine organisatorische Verflechtung zwischen den zu fassenden Betrieben besteht?
Erlaubt § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG eine mehrstufige Zusammenfassung von mehr als zwei BgA, indem zunächst auf einer ersten Stufe zwei BgA zusammengefasst werden und anschließend auf einer zweiten Stufe die Zusammenfassung dieser bereits zusammengefassten BgA mit einem weiteren BgA erfolgt, wobei es ausreicht, dass die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG nur für einen der bereits zusammengefassten BgA vorliegen?
Sachverhalt
Die Klägerin, eine öffentlich-rechtliche Institution, betrieb verschiedene Einrichtungen, darunter die Wasserversorgung und das Freibad. Auf dem Gelände des Freibades wurde ein Blockheizkraftwerk (BHKW) mit einer thermischen Leistung von 542 kW und einer elektrischen Leistung von 537 kW (BHKW I), das mit Biogas betrieben wurde, errichtet. Eine Biogasanlage, die anderweitig untergebracht war, war über eine Leitung mit dem BHKW I verbunden. Zur Erzeugung der für die Biogaserzeugung erforderlichen Wärme diente ein zweites, kleineres BHKW (BHKW II). Der erzeugte Strom aus beiden BHKW wurde an die Stadtwerke C als Stromversorger verkauft.
Während der Streitjahre von 2009 bis 2014 wurde während der etwa fünfmonatigen Freibadsaison hauptsächlich die im BHKW I erzeugte Wärme an das Schwimmbad geliefert. In den übrigen Zeiten des Jahres wurden vor allem Drittkunden in einem in unmittelbarer Nähe zum BHKW I ausgewiesenen Neubaugebiet, für das ein Anschlusszwang bestand, mit Wärme versorgt. Die Klägerin verrechnete in ihren Körperschafts- und Gewerbesteuererklärungen für die Streitjahre die negativen Einkünfte aus dem Betrieb des Freibades mit den Einkünften aus der Wasserversorgung und der Strom- und Wärmeerzeugung aus dem Betrieb der BHKW, basierend auf der Annahme, dass ein Betrieb gewerblicher Art (BgA) "Versorgung" bestand, zu dem das Freibad, die BHKW und die Wasserversorgung gehören sollten.
Nach einer externen Prüfung ging das Finanzamt davon aus, dass zwar der Betrieb der Biogasanlage einschließlich BHKW II sowie das BHKW I und die Wasserversorgung als Versorgungsbetriebe im Sinne des § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 KStG zusammengefasst werden könnten. Der Betrieb des Freibades sei jedoch ein eigenständiger BgA und könne aufgrund einer mangelnden engen technisch-wirtschaftlichen Verflechtung nicht mit einem anderen BgA zusammengefasst werden.
Nachdem der Einspruch erfolglos war, gab das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht der Klage statt (Urteil vom 17.6.2021, 1 K 115/17, EFG 2022, 265). Es stellte fest, dass zwar der Betrieb der BHKW, des Freibades und der Wasserversorgung jeweils eigenständige BgA darstellten. Diese könnten jedoch gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 2 KStG durch ein zweistufiges Prüfungsverfahren zusammengefasst werden. In einem ersten Schritt könnten der BgA BHKW und der BgA Wasserversorgung als Versorgungsbetriebe gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 KStG zusammengefasst werden. Der so zusammengefasste BgA Wasserversorgung/BHKW könne dann in einem zweiten Schritt mit dem verbliebenen BgA – dem BgA Freibad – gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 KStG zusammengefasst werden. Das Gericht stellte fest, dass gemäß einem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 12.11.2009 (BStBl I 2009, 1303, Rn. 5) für die Zusammenfassung eines BgA mit einem bereits zusammengefassten BgA ausreiche, dass die Zusammenfassungsvoraussetzungen nur zwischen diesem BgA und einem der BgA des zusammengefassten BgA gegeben seien. Es wurde festgestellt, dass eine enge technisch-wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht zwischen dem BgA Freibad und dem BgA BHKW vorhanden war.
Entscheidungsgründe
Das BMF wird aufgefordert, dem Beitritt gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 FGO nachzukommen.
Im Streitfall ist zunächst zu klären, ob gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG eine Zusammenfassung von Betrieben gewerblicher Art (BgA) ohne organisatorische Verflechtung möglich ist. Des Weiteren muss entschieden werden, ob diese Regelung eine mehrstufige Zusammenfassung von mehr als zwei BgA erlaubt. Dabei werden auf der ersten Stufe zwei BgA zusammengefasst und auf der zweiten Stufe für die Zusammenfassung dieser bereits zusammengefassten BgA mit einem weiteren BgA genügt, dass die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG nur für einen der bereits zusammengefassten BgA vorliegen.
Die Finanzverwaltung verlangt für die Anwendung von § 4 Abs. 6 KStG keine organisatorische Verflechtung, sondern akzeptiert es, dass zur Ausübung des steuerlichen Wahlrechts für den zusammengefassten BgA lediglich eine eigenständige Gewinnermittlung durchgeführt wird (vgl. BMF-Schreiben vom 12.11.2009, BStBl I 2009, 1303, Rn. 1 Satz 5, Rn. 3). Die Auslegung dieser Regelung durch die Finanzverwaltung erscheint jedoch nach Ansicht des erkennenden Senats zweifelhaft. Angesichts der Möglichkeit, dass Regelungen des BMF-Schreibens vom 12.11.2009 (BStBl I 2009, 1303) als nicht mit dem geltenden Recht übereinstimmend angesehen werden könnten (gemäß § 176 Abs. 2 der Abgabenordnung), wird das BMF aufgefordert, dem Beitritt nachzukommen.
Hinweis:
Es bleibt abzuwarten, mit welcher Entscheidung der heutige Besprechungsfall aufwartet, nachdem das BMF hinzugekommen ist. Hieraus könnten sich neue Möglichkeiten für steuerliche Gestaltung in Bezug auf die Verrechnung von Verlusten der öffentlichen Hand ergeben.
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